Ich weiß nicht, was mich geritten hat, mit diesem Projekt anzufangen.
Nein, natürlich weiß ich das, aber manchmal bin ich nicht sicher.
High Fantasy ist nun ein Thema, das nie ganz "out" ist, aber irgendwie - ich weiß nicht, warum - auch nie ganz "in".
Egal wie viele Menschen ein halbes Leben lang auf den nächsten Band von "Rad der Zeit" warten, wie viele Werbemillionen mit "Game of Thrones" gemacht werden und wie Hohlbein einer der berühmtesten
Autoren des deutschen Sprachraums werden konnte - wenn man sagt, man schreibt "High Fantasy", heißt es immer, warum das denn? Das nimmt doch kein Verlag. Anders als bei seltsamen Grauschattierungen
kommen auch bei den Bestsellern aus diesem Genre keine Schnellschüsse hinterher, bleiben sie umsatzstarke Giganten, doch werden sie nie zur Welle.
Ich weiß nicht, warum das so ist. Ich habe nicht beschlossen, ein Buch zu schreiben und dann entschieden, dass Fantasy mein Thema ist. Es ist nicht einmal so, dass ich besonders gern Fantasy lesen
würde - also lieber als andere Genres, die ich auch lese.
Auf diese Frage antworte ich dann also immer, ich hätte eben angefangen unsere Rollenspielgeschichten aufzuschreiben, um neben dem Jura-Studium nicht völlig mein Sprachgefühl und meine Freude an "normaler" Sprache zu verlieren. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die für den Tag. Doch es gibt noch eine dunkle Seite.
Die Geschichte ist in mir drin und will raus. Mit aller Macht. Sie quält mich, nervt mich, führt mich durch alle Höhen und Tiefen mir bis dahin unbekannter Emotionen, zwingt mich nächtelang den PC
dem Bett vorzuziehen, in die Koffeinsucht und vor allem dazu - mich wieder und wieder zum Deppen zu machen.
Mein Werk ist schwierig, es ist sperrig, es ist nichts zum Nebenherlesen. Gerade am Anfang, bis man sich zurechtfindet. Die Geschichte aber ist in mir, so wie sie ist und sie verhandelt nicht! Ich weiß nicht, woher sie kommt, wann ich sie wie ersonnen habe... Habe ich sie ersonnen? Ich glaube, sie will einfach nur erzählt werden. Und gehört werden. Sie ist dabei nicht rücksichtsvoll aber auch nicht wählerisch. Es ist die Geschichte einer Welt, die für jeden etwas bietet. Liebe und Hass, Dummheit und geniale Einfälle, Gewalt und Hoffnung. Ich finde dort all die Sorgen, Nöte und Probleme, mit denen wir uns hier quälen, wieder. Entsprechend kompliziert ist auch ihre Welt und ihre Geschichten.
Meine Protagonisten sind allesamt Tyrannen. Sehr lebendig entwickeln sie nach wenigen Zeilen ihren eigenen Willen und Vorstellungen von der Geschichte. So drängen sie mich und kämpfen erbittert mit mir um den Plot. Um jedes Stückchen Plot. Ich mag in dieser Welt gottgleich alles wissen, aber ich kann so gut wie nichts ändern.
Dürrenmatt hat mal geschrieben, Schreiben sei wie Schach. Nur in der Eröffnung sei man frei, alles andere folge logischen Zwängen. Er hatte Recht. Ich entscheide nicht selbst, ob sich meine Figuren ineinander verlieben, ob sie klug sind oder sich trotzdem lieber dämlich verhalten. Das tun sie selbst, weil sonst die Geschichte aus ihrer inneren Logik kippt. Darum finde ich das Schreiben schwierig. So schwierig wie das Leben eben.
Die verschiedenen Handlungsstränge erschweren die Plotentwicklung, gerade für einen belletristischen Anfänger, doch die Welt verlangt nach mehreren Geschichten, die zugleich erzählt werden, damit sie sich entfalten kann. Oft erweist sich das vermeintlich geschwätzig Überflüssige, ein paar Seiten, ein paar Kapitel oder auch erst ein paar Bände später, als außerordentlich bedeutsam. Wie im echten Leben, wenngleich es modernen Schreib- und Lesegewohnheiten widerspricht. Wie oft habe ich Gestrichenes, wieder reingebastelt.
Nur dann verbinden sich die losen Handlungsfäden zu einem Webmuster, das auf einer Ebene die Welt, auf einer anderen Ebene aber auch die Charakterentwicklung der Figuren wiedergibt und miteinander eng verwebt. Was war zuerst da, das Ei (die Charaktere) oder die Henne (ihre Welt)? Wer zwingt wen?
Die Geschichte, oder der Autor, der sie niederschreibt. Und warum?
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.