Kay Noa
Kay Noa

Die Regionen Kernlands

Rannahai, wie unser schönes Kernland einst bei den Elfen hieß, verdanken wir in seiner vielfältigen Form wie auch die meisten seiner Bewohner, Rhukka, der legendären Erdriesin.

Kernland ist ein mächtiges Land, von der Form eines bergauf laufendes Bibers, der eine rückwärts reitende Hexe trägt (Was beweist, dass Rhukka ein wirklich ausgesprochen fantasiebegabtes Weib war!).
Ein entschlossener Sumaner Postreiter kann Kernland von Ost nach West bei günstigem Wetter, guten Straßen, nachlässigen Räubern und etwas Glück in gut 60 Tagen und von Nord nach Süd in etwa 125 Tagen durchqueren.

Bis auf jene Stelle im Nordosten, wo der Steinwall nach Kernland purzelt, ist Kernland umgeben von Wasser. Im Norden liegt die Eissee, im Osten das wunder-schöne Silbermeer, im Süden das geheimnisvoll schimmernde Grünwasser und im Westen schließlich das unberechenbare Sturmmeer, über das die Sturmhexen herrschen.

Nicht zuletzt dieser enormen Größe wegen haben die Elfen wohl einst die berühmten Kurzen Wege geschaffen, spezielle Pfade, auf denen durch Magie Weg und Zeit nicht länger miteinander verwoben sind und man deshalb auf einer Reise Raum verlieren und Zeit gewinnen kann. Sich zu verirren ist jedoch deutlich gefährlicher, denn man kann nicht nur das Wo verlieren, sondern auch das Wann und nicht immer bietet Umkehr Rettung.

Die vielen Legenden, die sich um diese Zauber ranken, sind ein guter Grund mehr, die Pfade zu meiden. Seit dem Rückzug der Elfen zu Beginn unseres Zeitalters jedoch kümmert sich Keiner mehr um die Zauber, die jene Wege schützten, und so sind sie heutzutage verfallen, gefährlich und daher zu Recht verschlossen und verboten.

Es heißt, nur die Verzweifelten könnten sie betreten, doch das glaube ich nicht. Jedes halbwegs empfindsame Wesen spürt, wenn er sich einer Weltengrenze nähert, sodass meines Erachtens nur die Verrückten die Wege betreten, weil alle anderen schleunigst das Weite suchen.

Kernlands höchstes Gebirge, der Steinwall, ist so mächtig, dass es nirgendwo größere Berge gibt. Die Astarta-Priesterin Klairu, die gewiss eine sehr weise und gebildete Frau war, hat den Steinwall das Gebälk des Himmels genannt, von dessen Gipfeln aus man in fremde Welten sehen könne. Doch das weiß heute keiner zu bestätigen. Der Steinwall ist so hoch, dass vermutlich selbst Thonos' Sonnenrosse kapitulieren und so auf ihrer täglichen Fahrt über den Himmel den Norden aussparen. Was jenseits des Steinwalls liegt, ist daher unbekannt. Das allerdings liegt nicht nur an den unwegsamen Felsen, sondern auch daran, dass das ganze Zeitalter des Rades hindurch die Pässe ins Dunkelreich verschlossen waren.

 

Zu Beginn unseres zivilisierten Zeitalters wurden die Pässe unter großem Aufwand magisch versiegelt. Da die Barrieren unüberwindbar sind, wird wohl auch niemand für Klairu in fremde Welten spähen können, auch wenn es viele, viele Unbelehrbare immer wieder einmal versucht haben.

Nur die Irrlichter, jene große Gruppen von Gelichtern, den kurzlebigen Wesen aus Magie und Feuer, die in Winternächten über den Himmel toben, wissen angeblich mehr über das Dunkelreich, doch nur wenige können mit diesen Wesen sprechen - und die erzählen es nicht weiter.

Vielleicht ist das gut so, denn angeblich erzählen sie von der Wahrheit über den Dunklen, was meiner Meinung nach erklären würde, warum ihr Tanz gar so rasend und zerstörerisch scheint.

Dem Steinwall selbst ist das egal, sagen die Trolle und die sollten solche Dinge wissen, denn wenn es um Stein geht, macht einem Troll keiner was vor. Die gewaltigen Felsen des Steinwalls jedenfalls prägen und gliedern Kernland, wie ich auf meinen Reisen feststellen konnte. Fast wie ein steinerner Wasserfall, der sich aus dem Dunkelreich in dieses Land ergießt und bis in den tiefsten Süden reicht, wo er neckisch Rhukkas Halsband grüßt. Im Norden gabelt sich der Steinwall zunächst in drei große Gebirgszüge. Die Nordhöhen mit dem Rach ziehen sich wie gewaltige Sturmbrecher entlang der Eissee nach Westen. Armars Rücken, in dem so viele Zwerge und Trolle leben, ist fast vollständig vom Weißwald wie ein dicker grüner Pelz bedeckt. Und schließlich sind da noch die Schlangensteine, die sich an der Ostküste entlang nach Süden schlängeln.

Dort, wo die Schlangensteine in den Boden abzutauchen scheinen, bis man nur noch ein paar Hügel sieht, bevor sie sich erneut – dieses Mal allerdings als Torrodorat – mächtiger denn je in den Himmel recken, liegt das Blutfeld. Ein Ort mit trauriger Geschichte, denn hier wurde die wohl größte und grausamste Schlacht des letzten Zeitalters geschlagen. Man sagt, hier sei der Dunkle besiegt worden, doch Gewinner gab es keine und auch viele, viele Jahre später strahlt der Ort immer noch etwas Unheimliches, Trauriges aus.

Am Blutfeld spaltet sich auch Armars Rücken, zweigt als Daemeans Schwanz nach Westen ab und teilt Kernland grob in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Er mündet an der Grenze zwischen Neuem Reich und Schönem Land in das von vielen Sagen umwobene Rabenschwert. Dort wendet er sich dann mit einem beachtlichen Massiv als Toruschawall wieder nach Süden, dieses Mal der sturmgepeitschten Westküste folgend, an die er sich jedoch nicht so richtig heranwagt und stets genügend Platz für weite Felder und Weinberge lässt.

Weiter südlich, wo der mächtige Jangala den Fels zu ersticken droht, nennt man dieses Gebirge trefflich Rahamuri, was in der Sprache der Yanami soviel wie Regenberge heißt. Sie halten unbeirrt auf Kernlands Südzipfel zu und stürzen dort, wo das Land endet, in die Tiefen des Grünwassers, aus dem sie nur noch wenig ragen. Die so entstandenen Inseln nennt man Rhukkas Halsband, weil sie sich wie auf eine Kette gereihte Edelsteine aus dem spiegelnden Meer erheben und der Sage nach tatsächlich die beim wilden Spiel verlorene Kette der Riesin Rhukka sein sollen.

Während der Norden kalt und ungastlich ist, mäßigt sich das Klima weiter südlich und lässt das Land wohnlicher werden. Hinter Daemeans Schwanz liegt die Khor, eine riesige Wüste. Wo Toruschawall und Rahamuri die Khor von der umstürmten Küste trennen, wird das Klima auf dem Weg nach Süden feuchter, schwül-heiß und das Land sumpfig. Kurz - das Wetter wird nicht besser, nur anders.

 

Die Frage, wo das Wetter am erträglichsten ist, wird von den Bewohnern Kernlands uneinheitlich beantwortet. Wo man ist, gefällt es nie, wo man herkommt ist es ganz schlimm und anderswo jedenfalls nicht besser.

Auch von Osten kommt in die Khor kein Wasser, denn der Torrodorat steht beharrlich im Weg und ist zu steil für die allermeisten Wolken. Da das Silbermeer aber viel friedlicher als das Sturmmeer im Westen ist, ist hier auch die Landschaft lieblicher und wird ihrer Schönheit wegen durchaus berechtigt Goldküste genannt.

Wo der Torrodorat immer flacher wird und endlich mit einigen Hügeln das Grünwasser erreicht, erstrecken sich weite Grasflächen, die nur gelegentlich von lichten Wäldchen und halbhohem Buschwerk unterbrochen werden. Diesen  wildreichen Süden nennt man auch die Graskhor.

Viele Flüsse durchziehen Kernland und versorgen es mit Leben. Das Neue Reich prägen der Norfule und der Rhenfule, die beide nicht weit voneinander entfernt Armars Rücken entspringen.

Während sich der Norfule in einem weiten Bogen nach Norden wendet, um hinter dem Sternsee am Dolch des Nordens ins Eismeer zu münden, hält sich der Rhenfule nach Westen, fließt an Athon vorbei und ergießt sich endlich bei Edehlis ins Sturmmeer.

Ähnlich bedeutsam ist der Dorna, der unweit vom Tränensee in den Nordhöhen entspringt und sich den schwierigen Weg durchs Gebirge sucht, bis er bei Walstadt ins Meer mündet. Der wichtigste Fluss des Schönen Lands ist der Manastar, der aus den Tiefen des Toruschwalls in weiten Schwüngen zum Sturmmeer fließt.

 

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